Haiku

Kerstin Koch



Sonntag morgens Schnee-
Plötzlich wird alles so still;
graue Schmelzränder.


*


Eine Schneezunge
liegt über dem Lavendel-
eisgrüne Blätter.


*


Die Welt gibt sonst an;
heute bedeckt sie ganz schlicht
ehrlich-weißer Schnee.


*


Der neue Denker
vor der hiesigen Kunsthalle
hockt auf dem Erdball.


*


Es verändert sich,
mein Schnee, unter dir die Welt;
kühl auch der Nachbar.


*


Ein Steinmäuerchen
umgibt den Buchs im Garten,
der Schnee spielt damit.


*


Es liegt grauer Schnee,
Farbe verfehlt im Winter.
Mein Aug' will Ruhe.


*


Farbe in der Form,
das ist wie die Freiheit in
enger Eingrenzung.


*


Fensterrachen groß
in ausgeschaltem Bau, die
Planenfetzen weh'n.


*


Leeres Gebäude-
nackt ohne Vergangenheit
und ohne Zukunft


*


Betonkuben steh'n
mit aufgerissnen Mäulern,
ausgehöhltes Schwarz.


*


Im Fluß spiegelt sich
der blaue Abendhimmel;
roter Sonnenball.


*


Erst wenn der Schnee taut,
kommt die alte Welt wieder-
ich sehe sie neu.


*


Ein Licht flackert auf:-
die dunklen Tannenzweige
verbergen es noch.


*


Der warme Südwind
hat das Vöglein ergriffen;
sing doch, mein Schatz, sing!


*


Letztes Abendlicht
fällt schüchtern in den Weinkelch-
der Tag ist vorbei.


*


Hoch fliegen Vögel
schwer und dunkel liegt die Stadt-
schwüle Abendluft.


*


Schwefelgelbes Licht
hell am schwarzen Himmelszelt-
trostlos die Wohnung.


*


Traurig hängt ein Grau
über der Stadt am Morgen-
Ahnung in der Luft.


*


Grauer Fluß steht still
flache Boote festgetäut-
ein kleines Stück Welt.


*


Brennesselinseln
stehen am dunklen Flußsaum-
Wasser strömt vorbei.


*


Weide steht am Ufer
beugt sich hinab zum Wasser
taucht Äste ins Naß.


*


Aufgeblühter Mohn
neben Eisenbahngleisen-
trockene Erde.


*


Blumen aller Art
wachsen auf trock'nem Schotter;
staunendes Auge.


*


Gelbes Haus allein
lädst zu neuer Hoffnung ein
doch die Stadt ist grau.


*


Wolkenbank ruht groß
auf kühler Häuserlandschaft
Sommer sich versteckt.


*


Sonne kommt hervor
macht dunklen Innenhof licht
schräg der Schatten fällt.


*


Licht auf schwarzem Teer
grüne Pflanze am Rande
die Stadt trostlos hier.


*


Grau schwebt die Wolke
über rotem Häusermeer
Menschen sind allein.


*


Der Himmel klärt auf
ich höre Regentropfen-
Motorengeräusch.


*


Winterdämmerung-
Amselgesang erschallt laut
in Häuserfluchten.


*


Pulsierende Luft
und wunderliche Menschen-
die Stadt im Frieden.


*


An Betonmauern
rinnt der Regen hinunter;
noch ist's Februar.


*


Der Holztisch gedeckt
mit bescheidenem Geschirr-
groß ist der Hunger.


*


Maigrün die Bäume
lassen einen Kirchturm sehen
Träume beginnen.


*




Senryu



Weiße Häuserfront
Bäume reichen nicht ans Dach
die Augen frieren.


*


Schweigend höre ich
der Vergangenheit Seele
im luftigen Raum.


*


Milchschokolade
steckt in der Jackentasche-
mein Weg ist noch weit.


*


Mein eleganter
Stubenpanther läßt freudig
die Muskeln spielen.


*


Im Kreise dreht sich
der Mann, ein Handy haltend-
die Tochter schaut zu.


*


Auf dem Klavier aus
Kirschbaumholz sitzt mein Kater
mit Bernsteinaugen.


*


Die Handytasten
werden mit abgekauten
Näglen gedrückt. Oh!


*


Nach unserer Nacht
ist dem Apfel im Korb die
Schale fast zu eng.


*


Und die Wirtin trägt
ein großes Kreuz auf der Brust;
sie putzt Gemüse.


*


Die Coca-Cola
des jungen Koreaners
klingelt ganz asiatisch.


*


Mit einer großen
weißen Lupe schaut der Mann
in Abfalleimer.


*


Der nächtliche Sturm
trägt meinen Mann, in Ölzeug,
rasch zurück nach Haus.


*


Zigaretten raucht
mein Mann dort am Sperrtore
im nächtlichen Sturm.


*


Ich höre, des Nachts
suchen Menschen mit Lampen
in Abfalleimern.


*


Draußen in der Stadt
lauern die Möglichkeiten;
mein Herz ist trocken.


*


Schnee bedeckt die Stadt;
Neues beginnt und das Herz
beweint alten Traum.


*


Ach, du lieber Schnee,
deckst zu meine Schmerzen und
was vergangen ist.


*


Erst wenn der Schnee taut,
kommt die alte Welt wieder-
ich sehe sie neu.


*


Nieder auf die Erd'
legt schwarze Wolkendecke
sich und schläft tief ein.


*


Ein Notenschlüssel
ganz gläsern, läßt mich ahnen
wohin mein Traum geht.


*


Ein Bub zählt Zähne
am begehrten Butterkeks,
spürt Omas Nähe.


*


Wunderbar ist es
die Bitterschokolade
auf dem Tisch zu sehen.


*


Angebrochen sind
salzige Knabbereien-
auch ich warte lang.


*


Ich denke an dich
wenn ich den Honigwein seh',
weiß, du kommst wieder.


*


In der Kirchenbank
höre ich andächtig Musik-
lebe nur einmal.


*


Hellblondes Mädchen
an der befahr'nen Straße
weint in ihr Handy.


*


Glühende Hitze
steht still auf Straße und Haus-
wo sollen wir hin?


*


Wünsche mir Musik
in mir und um mich herum-
in ewiger Zeit.


*




Zurück zu Gedichte und Geschichten        Zurück zur Startseite